Belichtungssteuerung bei vorhandenem Licht
Beim Fotografieren mit dem vorhandenen Licht nutzt man den in der Kamera verbauten Belichtungsmesser und stellt diesen auf „korrekte Belichtung“, also Null. Nichts anderes machen im Übrigen die verschiedenen Automatikprogramme.
Von hier aus kann man - und sollte man je nach Situation auch - Anpassungen vornehmen, um die optimale Belichtung für das Motiv zu erhalten. Dieses Thema erkläre ich kurz im Artikel über die Korrekte Belichtung.
Wir können die Belichtung mit vorhandenem Licht mittels drei Einstellungen verändern:
- Blende
- Belichtungszeit
- Empfindlichkeit
Blende
Die Blende regelt mechanisch die Öffnung des Objektivs. Sie beschreibt daher die Öffnung, durch die das Licht durch das Objektiv auf den Sensor fällt. Je größer diese Öffnung ist, desto mehr Licht fällt auf den Sensor, d.h. desto heller ist unser Bild.
Das ist ähnlich einem Wasserhahn. Je größer sein Durchmesser, desto mehr Waser kann auf einmal raus.
Übrigens bedeutet eine kleinere Blendenzahl, z.B. Blende 4, eine größere Blendenöffnung als eine große Blendenzahl, z.B. Blende 11. Warum ist das so verwirrend? Ganz einfach, weil die Blende eigentlich 1:4 heißt. Dieses Verhältnis gibt an, wie oft die Blendenöffnung in die Brennweite des Objektivs passt. Klar, dass dann eine kleinerer Blendenöffnung öfter in die Brennweite hineingeht, als eine große Blendenöffnung.
Neben der Lichtmenge regelt die Blende auch die Schärfentiefe in unseren Bildern.
Belichtungszeit
Die zweite Möglichkeit unsere Belichtung zu beeinflussen ist die Belichtungszeit. Mit dieser steuern wir den Verschluss unserer Kamera. Der Verschluss ist geschlossen und wird nur für die eingestellte Belichtungszeit, z. B. 1/60 Sekunde lang geöffnet.
Wieder ist das vergleichbar mit einem Wasserhahn. Je länger wir den Hahn aufdrehen, desto mehr Wasser fließt hindurch.
Neben der Lichtmenge regelt die Belichtungszeit die Schärfe von Bewegung. Bei der Bewegung gibt es die Bewegung der Kamera (Verwacklung!), sofern sie nicht auf einem Stativ steht und die Bewegung mancher Motive.
Empfindlichkeit
Schließlich regelt die Empfindlichkeit die notwendige Belichtung des Bildsensors und wird als ISO Wert angegeben. Je höher der ISO Wert, desto mehr Rauschen wird erzeugt.
Der Zusammenhang
Abblenden um eine Blende, z.B. von 5,6 auf 8 halbiert die Lichtmenge.
Halbieren der Belichtungszeit, z.B. von 1/125 auf 1/250, halbiert die Lichtmenge.
Verdoppeln der ISO-Zahl, z.B. von 200 auf 400, halbiert die notwendige Lichtmenge.
Verschiedene Kombinationen von Blende, Zeit und Empfindlichkeit erreichen also die gleiche Belichtung.
Das Aber
Allerdings sind nicht alle Kombination nützlich, wenn wir ohne Stativ ein verwacklungsfreies Bild erhalten wollen. Denn sobald wir länger Belichten, bewegen wir innerhalb der Belichtungszeit unsere Kamera so viel, dass wir ein unscharfes Bild produzieren.
Schon zu Zeiten der analogen Fotografie konnten nur wenige eine Kamera so ruhig halten, dass bei Belichtungszeiten, die länger waren als die benutzte Brennweite, ein verwacklungsfreies Bild entstand. Dies ergab also die Faustregel: "Die Belichtungszeit muss kürzer als der Kehrwert der Brennweite sein.", z.B: kürzer als 1/200 Sekunde bei einer 200 mm Brennweite.
Warum sehen wir die Verwacklung in unseren Bildern eigentlich und warum ist das Thema mit modernen, also hochauflösenden Kameras noch kritischer geworden?
Das Bild ist so lange scharf, solange die Bewegung während der gewählten Belichtungszeit kleiner ist, als ein einzelnes Pixel unseres Sensors. Sobald die Bewegung darüber hinaus geht, wird diese Bewegung als Verwacklung sichtbar. Das bedeutet, dass die Pixelgröße unseres Sensors für das (ungewollte) Registrieren der Bewegung maßgeblich ist.
Nun ist mit steigender Auflösung der Sensoren diese Pixelgröße immer kleiner geworden. Auf die Fläche eines Kleinbildnegatives wurden 12 Millionen Pixel, später sogar über 45 Millionen Pixel gepresst.
Dies hatte zur Folge, dass unsere "analoge Faustformel" modifiziert werden musste. Für verwacklungsfreie Bilder mit einer Vollformatkamera mit 12 Millionen Pixel ist unsere "analoge Faustregel" erfahrungsgemäß noch einigermaßen anwendbar, bei Sensoren mit mehr als 40 Millionen Pixel muss man dafür schon drei Mal kürzer Belichten, als dies bei analogem Kleinbildfilm der Fall war.
Glücklicherweise sind viele Kamerasysteme bzw. Objektive inzwischen mit einem Bildstabilisator ausgerüstet, der dem Verwackeln entgegenarbeitet. In der Praxis arbeite ich mit Bildstabilisator an einer hochauflösenden Kamera wieder mit der alten Faustformel:
"Die Belichtungszeit muss heute mit Stabi kürzer als der Kehrwert der Brennweite sein."
Unabhängig von der benutzten Brennweite ist eine längere Zeit als 1/60 kaum ruhig zu halten.
Natürlich kann, wenn sich das Motiv selbst bewegt, je nach dessen Geschwindigkeit eine kürzere Belichtungszeit geboten sein. Folgende Tabelle ist ein Vorschlag für die längst-mögliche (kürzere Zeiten sind noch sicherer) Belichtungszeit, damit die eigenen Kamerabewegung während der Belichtung nicht zu unscharfen Bildern führt.
Meine Empfehlung lautet daher (bei hochauflösenden Sensoren mit Bildstabilisator):
Brennweite | Längste Belichtungszeit |
15 | 1/60 |
50 | 1/60 |
100 | 1/125 |
200 | 1/250 |
Mein Gedankengang lässt sich wie folgt zusammenfassen:
„Blende je nach gewünschter Schärfentiefe,
Zeit mindestens so kurz wie Brennweite lang,
Empfindlichkeit so niedrig wie möglich.“
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