Licht und Beleuchtung für Fotografen
Licht ist unser Rohstoff. Wir sind in der Tat Lichtmaler und einige großartige Fotografen beschreiben ihr Schaffen so: "Darkness is my canvas, light is my brush"
Wir Fotografen benötigen aus diesem Grund vor allem Wissen über das Verhalten von Licht, da wir es zur Beleuchtung – also dem bewussten Legen von Licht und Schatten in unseren Bildern – nutzen wollen. Ich persönlich halte diese Thematik gleich nach dem Meistern des technischen Fundaments als grundlegend für die professionelle Fotografie. Wir wollen die unserem Zweck angemessenen Pinsel für unser Werk verwenden. Aus diesem Grund drehen sich auch tatsächlich viele ganz unterschiedliche Fragen in der Fotografie ums Licht. Welches Licht soll ich für mein Portrait nutzen? Wie kann ich Metall fotografieren, damit es großflächig glänzt? Warum funktioniert mein Lichtsetup bei einer Aufnahmesituation, bei der nächsten liege ich aber total daneben?
Es gibt ein paar grundsätzliche Überlegungen, die wir zu unserer Beleuchtung anstellen können. Mit Hilfe der sich daraus ergebenden Grundsätze ist man in der Lage, das Fotoobjekt gemäß der eigenen Vorstellungen zu Beleuchten. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um natürlich vorhandenes Licht handelt oder ob wir das Licht mittels Lampen oder Blitzen selbst erzeugen.
Grundsätze
1. Größe des Lichts. Die effektive Größe (tatsächliche Größe und Abstand zum Objekt) des Lichtes definiert den Übergang der beleuchteten Stellen zum Schattenbereich: "hart – weich"
Das ist die erste und wahrscheinlich wichtigste Überlegung zu unserem Thema. Zum Beispiel ist der Schatten an einem strahlenden Sonnentag "hart", d.h. die Abgrenzung zwischen Licht und Schatten erfolgt abrupt.
Sobald sich Wolken vor die Sonne schieben und sich dadurch die effektive Größe des Lichtes – ganz wie bei einer Softbox - vergrößert, ändert sich der Schattenübergang. Die Schatten werden nämlich weich, bis man vielleicht den Übergang kaum mehr wahrnehmen kann.
2. Licht kann (neben Absorption und Transmission) auf drei Arten reflektiert werden: Diffuse Reflexion, direkte Reflexion und polarisierte direkte Reflexion. Die Art der Reflexion ist von der Oberfläche des zu fotografierenden Objektes abhängig und erzeugt eben erst das unterschiedliche Aussehen verschiedener Oberflächen.
In der Praxis reflektiert zum Beispiel ein weißes Blatt Papier das Licht diffus. D.h. die auftreffenden Lichtstrahlen werden in alle Richtungen zurückgeworfen. Aus diesem Grund können wir dieses Blatt Papier auch aus allen möglichen Betrachtungswinkeln anschauen und fotografieren. Es erscheint uns dabei immer gleich hell.
Die direkte Reflexion hingegen ist die Spiegelung der Lichtquelle an unserem Objekt. Dies geschieht zum Beispiel an einer polierten Fläche oder an Glas. Wir nennen das dann einfach Reflex oder Glanzpunkt, etc.
Manchmal ist diese direkte Reflexion allerdings nicht unverändert, sondern polarisiert. Eine Lichtwelle schwingt normalerweise senkrecht zu seiner Ausbreitungsrichtung in alle Richtungen. Polarisation bedeutet, dass dieses Licht fortan nur noch in eine Richtung schwingt. Unser Auge kann dabei zwischen direkter Reflexion und polarisierter direkter Reflexion nicht unterscheiden. Polarisierte Reflexion gibt dem Fotografen allerdings zusätzliche Mittel zur Steuerung ihrer Sichtbarkeit mittels Polfilter. Denn man kann mit so einem Filter genau die Schwingungsrichtung sperren, in der das polarisierte Licht schwingt.
In der Regel ist direkte Reflexion an glatten nicht metallischen Oberflächen, wie Plastik oder Glas, wenigstens zum Teil polarisiert.
3. Direkte und polarisierte direkte Reflexionen sind nur unter Einhaltung bestimmter Winkel sichtbar. D.h. durch die bewusste Positionierung der Lichtquelle und / oder der Kamera kann man diese Arten der Reflexion sichtbar machen oder vermeiden.
Im Gegensatz zur diffusen Reflexion, wird die direkte und polarisierte direkte Reflexion nicht in alle Richtungen reflektiert. Hier entspricht der berühmte Einfallswinkel des Lichtes auch seinem Ausfallswinkel. Mikroskopisch betrachtet sind die meisten Oberflächen nicht ganz eben. Viele Oberflächen reflektieren daher die direkte Reflexion nicht nur in exakt einen Winkel, sondern in einen ganzen Winkelbereich.
4. Mit zunehmender Entfernung zur Lichtquelle findet auch eine überproportionale Abnahme der Lichtintensität auf unserem Objekt statt.
Ein Objekt, dass wir 4 statt 2 Meter von der Lichtquelle entfernen, also bei dem wir den Abstand verdoppeln, erhält nur noch ein Viertel des Lichtes. Die Lichtenergie geht dabei nicht verloren, sondern sie verteilt sich auf eine vier mal so große Fläche um unser Objekt. Man sagt daher, Licht nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Als Fotograf können wir diesen Grundsatz nutzen, um durch den Abstand des Objektes zu seinem Hintergrund zu bestimmen, wie stark der Hintergrund von unserer Lichtquelle (mit-)ausgeleuchtet werden soll.
Interessant ist die Anwendung dieser Überlegung auch beim Verhältnis von diffuser zu direkter Reflexion. Direkte Reflexion erscheint immer so hell wie die Lichtquelle selbst - und zwar unabhängig vom Abstand. Was sich allerdings ändert, ist die Größe der direkten Reflexion. Bei einer Halbierung des Abstandes wird sie zum Beispiel vier mal so groß.
Um nun das Verhältnis der Helligkeit von diffuser zu direkter Reflexion auf unserem Objekt zu kontrollieren, können wir folgendes Experiment wagen: Wir halbieren die Distanz des Lichtes zum Objekt. Die direkte Reflexion bleibt wie beschrieben (immer) gleich hell, wird allerdings vier mal größer. Die diffuse Reflexion wird durch das halbieren des Abstandes vier mal heller. Wenn wir dann unsere Belichtung an die neue diffuse Reflexion unseres jetzt helleren Objekts anpassen, haben wir im Ergebnis eine weniger helle direkte Reflexion im neu belichteten Bild.
Wie nützt mir das?
Mit diesen Grundsätzen lassen sich die eingangs gestellten Fragen beantworten. Ein paar Fragestellungen haben sich in den Überlegungen bereits selbst beantwortet. Das Wissen um diese Grundsätze erlaubt uns im Weiteren zum Beispiel Oberflächenstrukturen mancher Objekte (z.B. weißer grober Stoff) gut herauszuarbeiten, indem wir eine kleine effektive Lichtgröße wählen. So liegt auf jeder einzelnen Masche Licht, genauer gesagt diffuse Reflexion, und Schatten „ohne“ Übergang nebeneinander und die Struktur wird dadurch gut sichtbar.
Auch die gegensätzliche Beleuchtungsstrategie mag für andere Objekten passen. Bei der Haut eines Portraits als Beispiel, möchten wir in der Regel die Hautstruktur gerade nicht herausarbeiten, da dadurch ja Falten und Hautunreinheiten herausgestellt werden würden. Es bietet sich daher eine große Lichtquelle an, die keine hart definierten Schatten wirft.
Ähnlich wie bei dem weißen Stoff im vorigen Beispiel möchten wir nun die Struktur eines dunklen Ledereinbandes herausarbeiten. Bei einer schwarzen (Leder-)oberfläche nützt uns die oben beschriebene Beleuchtung jedoch nicht. Es liegen hier zwar wieder diffuse Reflexion und Schatten „ohne“ Übergang nebeneinander, allerdings reflektiert schwarzes Leder im Gegensatz zu weißem Stoff kaum diffus. Die Lederoberfläche bleibt als Gesamtes dunkel ohne uns seine Struktur zu offenbaren.
Aus diesem Grund positionieren wir hier die Lichtquelle und die Kamera so, dass wir genau den Winkelbereich füllen, damit wir die direkte Reflexion des Leders sehen. Und schließlich wählen wir keine kleine Lichtquelle, sondern, um nicht nur einen kleinen direkten Reflex zu erhalten, eine so große Lichtquelle, dass das gesamte Lederstück direkt in unsere Kamera reflektiert. Die Furchen im Leder werden so als dunkle Linien im hell glänzenden Leder sichtbar.
Es lohnt sich wirklich, diese Grundsätze unseres Rohstoffes zu kennen. Denn so kommt man von Versuch und Irrtum zu einer bewussteren Herangehensweise. Erst das überlegte sich an Grundsätzen orientierende Handeln adelt meines Erachtens das eigene Tun zu professioneller Fotografie.
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